Montag, 30. April 2012

30.04.2012 - 30.04.2011


Heute, vor genau einem Jahr haben wir uns auf den Weg gemacht.
Von Gänserndorf nach Santiago de Compostela. Das klang mehr nach einem Traum, als nach einem tatsächlich erreichbaren Ziel.


Wir wurden belächelt.
Wir wurden bewundert.
Manche sagten uns, dass das unmöglich sei.
Viele haben an uns geglaubt und uns unterstützt.

Wir hatten Hunger.
Und wir hatten unglaublichen Durst.
Wir waren oft müde.
Wir haben jeden Tag gehofft, irgendwo ein Dach über dem Kopf zu bekommen.

Wir sind durch strömenden Regen gewatet.
Wir hatten Angst, dass die Sonne uns austrocknet.
Wir haben Schnee gesehen und Nebel.
Wir sind durch Graupel und Hagel gegangen.

Wir haben Moore und Sümpfe hinter uns gelassen
und wir haben Berge erklommen.
Durch Flüsse sind wir gewatet und durch Steppen gegangen.

Wir haben gelacht.
Wir haben geweint.
Wir haben uns gefreut, wie noch nie.
Wir dachten, wir schaffen es nicht.
Und wir hatten Schmerzen.
Von der Last auf unseren Schultern und von den Problemen, die jeder selbst zu tragen hatte.

Wir haben herzensgute Menschen getroffen und solche, die wir nicht verstanden haben.
Wir durften Gastfreundschaft erleben, wie man sie heute fast nicht mehr kennt.
Wir durften ein Teil von Familien sein, die wir noch nie zuvor gesehen haben.
Wir wurden von einigen wie die eigenen Kinder behandelt.
Von anderen wurden wir wie Aussätzige angesehen.

Wir waren Pilger.
Wir waren Wanderer.
Wir waren Hilfe suchende.
Wir waren Traumtänzer.
Wir waren manchmal wie der Wind.

Wir haben Dinger erleben dürfen, die für andere unerreichbar bleiben.

Wir hatten Angst.
Angst, uns selbst zu erkennen.
Angst davor wir zu sein und uns anderen zu zeigen.
Angst davor zu scheitern.
Angst vor der Fremde und Angst vor Vertrautem.

Und vor allem hatten wir Angst davor anzukommen.



Wir sind angekommen. Nach 137 Tagen Pilgerschaft und allen Höhen und Tiefen, die man sich nur vorstellen kann.

Nicht nur in Santiago sind wir angekommen. Auch das Ende der Welt haben wir gesehen.


Bis ans Ende der Welt sind wir gegangen. Zusammen. Gemeinsam.
Und es war gut so.

Und trotzdem bleibt ein Gefühl, dass man nicht angekommen ist, dass man immer auf der Reise ist, auf einem großen Weg, der niemals endet.


Sonntag, 18. September 2011

Tag 137.

Wir sitzen wieder in Santiago, vor zwei Stunden sind wir mit dem Bus von Muxía hier angekommen.

Die letzten drei Tage waren noch einmal sehr hart. Das Gehen war anstrengend, aber die Mühen haben sich gelohnt.
Vorgestern haben wir den Sonnenuntergang am Ende der Welt, am Kap Finisterra, genossen.
Leider war das Vergnügen ein wenig durch die "netten" Menschen getrübt, die gemeint haben, ihre Synthetik-Wäsche dort verbrennen zu müssen.

Liebe Leute: Das Kap ist KEINE Müllverbrennungsanlage und auch KEINE Sondermüllsammelstelle.
In Rücksicht auf die Natur und auf die anderen Menschen dort, die das Ambiente genieszen wollen: Bitte verbrennt Eure Kleidung NICHT sondert entsorgt sie sinnvoll...

In Muxía durften wir noch nach den letzten 31 Kilometern den Abend auf den Felsen in der Brandung genieszen. Es war wunderschön. :)
Wir haben die Gebete, die wir in Le Puy mitgenommen und in Santiago vorgebracht haben, verbrannt (natürlich aus Papier und das war dann auch gleich weg und hat nicht gekokelt und gestunken :P) und haben unsere Füsze im kalten Atlantik gebadet.


Unser Zug in Richtung Heimat geht um 13.55.
Wir waren noch Frühstücken und ein bisschen shoppen und jetzt warten wir nur noch auf die Rückfahrt.


Das war es also, das "Abenteuer" Jakobsweg.
Wir melden uns noch einmal von zu Hause aus, um ein bisschen Résumé zu ziehen und alles noch einmal aufzuarbeiten.

Danke, dass Ihr bis jetzt unsere Reise verfolgt habt :)



Ultreïa.
Nach dem Weg ist vor dem Weg? Mal sehen...

Bis in Bälde :)
J&J

Mittwoch, 14. September 2011

Tag 133.

Nach einer nicht ganz so langen Nacht sind wir heute bei strahlendem Sonnenschein in Richtung Finisterra aufgebrochen.
Problem Nummero 1: finde in Santiago ein Cafe oder eine Bar, die um 8 Uhr geöffnet hat und auch noch etwas Essbares anbietet.
Nach ein bisschen Suchen ist uns das zumindest gelungen.
Problem Nummero 2: finde einen Briefkasten in Santiago.
Aber nach ca. 10 minütigem Marsch hat sich auch das erledigt, also auf ans Ende der Welt und weg von diesen vielen Menschen!

Es war recht warm und der Weg wunderschön. Endlich wieder alleine :)

In einem Cafe haben wir die vier Österreicher aus Bad Vöslau wiedergetroffen, die wir gestern im Pilgerbüro kennengelernt haben.

Erkenntnis des heutigen Tages: mit einem Damenspitz nach einem großen Radler geht die Jacky sehr schnell den Berg hinauf :)
Jimmy will mir in Zukunft während des Gehens keinen Radler mehr gönnen :( Also bitte: ein Aufruf an alle, die mich lieb haben: HALTET IHN AUF!!! :D

Nach 22 Kilometern sind wir also jetzt in Negreira in einer privaten Albergue. Privat (und somit auch teurer, heißt 12€/Person, aber mit Bettzeug und Handtuch (wahhhhhhhh da beginnen Pilger wie wir fast zum Heulen, wenn wir sowas bekommen :´) )), weil wir Wäsche waschen (mit einer Waschmaschine) und kochen wollen und in der günstigen Albergue um 5€ weder das eine noch das andere möglich ist.

Morgen gehen wir dann nach Olveiroa und dann übermorgen nach Finisterra.
Und dann sind wir ja eigentlich schon wieder daheim.

Meine Kamera funktioniert zum Glück noch brav, auch wenn sich das Objektiv nicht mehr ganz schließen lässt.

Noch was?
Ach ja, danke für die vielen Glückwünsche :)
Wir gehen davon aus, dass wir mit Champagner und großer Party in Gänserndorf von Euch erwartet werden und Ihr uns zu Füßen liegen werdet, in Anbetracht unserer immensen Leistung... muahaha.

*räusper*, so genug Blödsinn geredet. Vielleicht doch kein Bier mehr für mich...


Euch allen noch einen schönen Nachmittag bzw. Abend und wir melden uns bald wieder :)

LieGrü
J&J
(heute mal wieder mit deutscher Tastatur...)

Dienstag, 13. September 2011

Tag 132.

Heute um 09:30 haben wir den Platzt vor der Kathedrale in Santiago erreicht.
Mit gemischten Gefühlen.

Die Stadt war noch recht leer, wenige Pilger und Touristen unterwegs und alle Cafés geschlossen oder ohne Essen.

Wir waren dann im Pilgerbüro um uns unsere "Compostela" ausstellen zu lassen, die Urkunde, die bezeugt, dass wir den Weg zu Fusz zurückgelegt haben.
Der Mitarbeiter war von unserem Pilgerpass (der ja aus 6 Pilgerpässen besteht) und von unserem Weg so begeistert, dass er mit unserem gut 3 Meter langem Dokument durch das Büro gewandert ist um es den anderen zu zeigen...
Jetzt haben wir also den offiziellen Wisch für unsere Klowand ;)

Aus der Pilgermesse um 12 Uhr sind wir dann vorzeitig geflüchtet.
Diese riesige Kathedrale war gestopft voll, Touristengruppen haben sich aneinander gedrängt, die Schlange an der Statue des Heiligen Jakobus elends lang.
Es war furchtbar und kein würdiger Abschluss für diese Reise :(

Deswegen haben wir uns auf die Suche nach einer passenden (und möglichst günstigen) Unterkunft gemacht. Ist ja nicht ganz so einfach, hier in der Touri-Hochburg.
Und plötzlich läuft uns eine kleine alte Spanierin vor der Touristen-Info fast über den Haufen und teilt uns mit wilden Gesten mit, dass, wenn wir ein Zimmer suchen, mit ihr mitkommen sollen.
Tja und jetzt haben wir ein Zimmer um 25€. Über die Touri-Info hätten wir das glaub ich nie gefunden. :) Ein Zeichen, dass es richtig war, die Messe zu verlassen?

Nach Essenssuche und Bahnhofsbesuch zwecks Ticketkauf für unsere Heimfahrt am 18. haben wir uns noch einmal in die Kathedrale begeben um in aller Ruhe dem Heiligen gegenüberzutreten.

Und jetzt überlegen wir, wo wir was essen.
Die Infos für den Weg, den wir die nächsten vier Tage noch nach Finisterra (also das Ende der Welt) und Muxía gehen werden, geholt und jetzt diesen Blogeintrag verfasst.


Danke für die viele Unterstützung, die wir von Euch daheim bekommen haben.
Danke an diejenigen, die an uns geglaubt haben. Wir waren uns ja bis zum Schluss selbst nicht sicher, ob wir es schaffen werden.
Und ja, wir haben uns noch immer lieb, können uns noch immer in die Augen schauen und miteinander reden. Und das nach 3300 Kilometern und 4,5 Monaten, die wir gemeinsam verbracht haben :)


Aber: der Weg ist das Ziel.
Also: Ultreïa y suseïa.
Weiter an das Ende der Welt :)

J&J

Montag, 12. September 2011

Tag 131.

Wir sind in Monte do Gozo, 5 Kilometer von der Kathedrale in Santiago entfernt, auf die wir heute schon von dem Hügel, auf dem wir uns befinden, einen Blick werfen konnten.

Wie die Pilger im Mittelalter schlafen wir heute hier, auf dem letzten Hügel vor Santiago. Früher haben sie sich hier gewaschen (war damals ja doch nicht üblich ;) ) und ja, das haben wir heute auch schon erledigt.
Aber auch in der Messe waren wir, insgesamt 7 Pilger und zwei Einheimische, und haben noch ein letztes Mal den Pilgersegen empfangen. Vom Pfarrer in Gänserndorf haben wir ihn das erste Mal am 30. April empfangen.

Unglaublich. Morgen sind wir also da.

So nervig und fuchtbar wir auch vieles empfunden haben, so war der erste Blick auf Santiago heute Nachmittag doch mit Wehmut verbunden.

Mittlerweile beschäftigen uns schon wieder die Probleme, die wir daheim haben werden.


Aber erst einmal ankommen.

J&J

... und noch 5 Kilometer nach Santiago.

Samstag, 10. September 2011

Tag 129.

Ribadiso. Wir sind eigentlich nur noch 2 Tage von unserem Ziel entfernt.
Um die 3260 Kilometer haben wir in den letzten 4,5 Monaten zurückgelegt. Und jetzt sind wir fast an unserem Ziel angekommen.

In den letzten Tagen seit Sarria sind unheimlich viele Touristen (von uns "liebevoll" PSM genannt = Peregrinos sin mochila, also: Pilger ohne Rucksack).
Das sind Menschen, die hier die letzten 100 Kilometer zu Fusz gehen (oder auch nicht) um in Santiago die "Compostela" zu erhalten. Das ist die Urkunde, die bezeugt, dass man zu Fusz oder mit dem Rad nach Santiago gepilgert ist. Und damit man die bekommt muss man als Fuszpilger die letzten 100 Kilometer gehen.
Da sind also riesige Gruppen von Engländern oder Franzosen oder Spaniern unterwegs, die laut gackernd, mit ihren 5-Liter-Tagesrucksäcken den Weg entlangmarschieren, zu fünft nebeneinander und alles niedermähen, was ihnen in den Weg kommt. Eine überdimensionale Jakobsmuschel wird ,meist deutlich sichtbar für alle anderen, um den Hals oder an dem Minirucksack getragen und der Pilgerausweis in einem Plastiketui ebenda transportiert.
Das ist er also: der Pilger.

Wir sind also anscheinend keine Jakobspilger. Wir haben nämlich keine Merchandise-Artikel des Weges an uns herumbaumeln und mit Rucksack und groszen Pilgerstab kommt man sich auch direkt komisch neben all den richtigen Pilgern vor...

Das also unsere Probleme des Weges.
Aber nur noch 39 Kilometer, dann haben wir es geschafft.
Den meisten "Pilgern" werden wir die nächsten Tage aus dem Weg gehen, da sie andere Etappen gehen als wir.

Liebe Grüsze an Euch,
wir sehen uns jetzt wirklich bald wieder :)
J&J

... und noch 3 Tage bis Santiago...

Mittwoch, 7. September 2011

... Tag 126...

und wir melden uns aus Sarria.
Eigentlich wollten wir ja heute noch 5 Kilometer weiter gehen, aber als wir in Sarria in einer Bar gesessen sind und unser Bocadillo mit Tortilla de Patata gegessen haben, dazu natürlich unser zwei Cervecas con Limon getrunken, hat es mich einfach nicht gefreut weiter zu gehen und deshalb sind wir hier geblieben.
Wir genieszen den Luxus eines Gartens und einer Herberge in einem uralten Haus. Das Dachgeschosz ist... urig :) Ob ein Statiker heute noch die Baumstämme und Äste als Tram und Dachträger durchgehen lassen würde, ist fraglich, aber der eingerichtete Salon ist grandios. Am Liebsten würde ich ja die Möbel mitgehen lassen... Aber wer trägt die für mich? ;(

Wir sind heute leider auch viel zu spät gestartet... erst um halb 9. Weil wir nämlich aktuell das Glück haben in Spätaufsteher-Zimmer zu kommen :)

Und ein paar "Dörfer" (falls es denn welche waren) sind hier ziemlich gruselig.
Sie bestehen nur aus ein paar Häusern, von denen ein oder zwei noch bewohnt sind, die Straszen sind nicht befestig und der Misthaufen ist direkt vor der Haustüre. Wenn man den Mist dort hinbringen will, muss man erst durch Kuhmist gehen.
Irgendwie ist das ja unheimlich idyllisch, auszer den 2 Bewohnern (und den hunderten Pilgern) ist da ja niemand, aber ob das wirklich ein schönes Leben ist, so weit weg von allem? Wahrscheinlich schon, auch wenn das für mich nix wär...

Na gut, soweit heute von uns.

Liebste Grüsze von den heute nicht ganz so viel nörgelnden
J&J


... und noch 6 Tage bis Santiago...