Dienstag, 30. August 2011

Tag 118.

Genau vor 4 Monaten sind wir in Gänserndorf an einem warmen, sonnigen Tag gestartet. Unglaublich, wie schnell die Zeit vergangen ist.
Heute sind wir in León gelandet, ca. 300 Kilometer vor Santiago und das Ende dieser Reise rückt unaufhörlich immer näher.

Während sich die anderen Pilger über die bereits geschaffte Hälfte ihrer "Pilgerschaft" freuen, werde ich Tag für Tag nachdenklicher, da wir bereits über 90% unseres Weges hinter uns gelassen haben.

Ich will ja wirklich nicht schwarz malen, aber irgendwie macht mich das alles doch ziemlich fertig.
Bis Saint Jean-Pied-de-Port war Santiago noch so weit weg von uns und jetzt sollen wir in 13 oder 14 Tagen schon da sein.

Die letzten Wochen sind einfach so schnell verflogen, dass ich gar nicht damit nachkomme, die Eindrücke und Geschehnisse richtig zu verarbeiten.
Vielleicht liegt das auch an der Routine, die wir mittlerweile haben.
Jeden Tag aufstehen, gehen, essen, gehen, schlafen. Sonst nichts.
Einerseits wollen wir einfacht nicht mehr gehen, sondern endlich ankommen, weil wir schon so lange auf dem Weg sind. Für die meisten auf dem Weg sind gerade einmal die ersten zwei Wochen um. In welcher Woche wir uns befinden wissen wir gar nicht mehr.

Und ich habe Angst vor dem daheim ankommen. Was erwartet mich/uns dort?
Kann ich mich überhaupt wieder so schnell den gesellschaftlichen Normen und Regeln unterwerfen, die jetzt so lange nicht für mich gegolten haben?
Wir haben unsere verschwitzten Kleider über Tage an, wir stinken, sind dreckig. Und es interessiert keinen.
Wir starten, wann wir wollen, wir bleiben an den Orten, die uns gefallen, wenn es uns nicht gefällt, gehen wir weiter.
Wir essen, wann wir wollen, nicht, wenn es die Uhr vorschreibt.
Wir gehen, soweit wir wollen. auch, wenn wir Etappen geplant haben. Wenn wir noch weiter gehen wollen, dann machen wir eben einen Tag mit 40 Kilometern, wenn es uns nicht mehr freut, gehen wir nur 16.
Wir entscheiden, wann, wo und was wir machen. Nur wir und sonst keiner. Niemand schreibt uns vor, wann wir ankommen müssen. Niemand sieht uns schief an, weil wir abgetragene, geflickte Wäsche anhaben und dreckige Schuhe.

Aber zu Hause? Da wartet wieder das Regelwerk der Gesellschaft auf uns.
Und davor hab ich Angst.


In León waren wir heute in der Kathedrale. Da drinn war es so unglaublich schön, es kann sich niemand vorstellen.


Und jetzt nerven mich gerade die vielen Menschen in der Küche, die alle so viel Platz brauchen und wir eigentlich ein Curry, zur Feier des Tages machen wollen...
Aber auch das ist Pilgeralltag.
Vielleicht sollte ich einfach ein bisschen tolleranter werden...


Liebste Grüsze an Euch
nach diesem doch sehr persönlichen Blogeintrag...

J&J

2 Kommentare:

  1. Ahoi ihr Pilger, die nun mehr fast ihr Ziel erreicht haben!
    Alle hier warten schon gespannt auf eure Rückkehr und ich habe hoffentlich nicht vergebens den Leuten gesagt das ihr spätestens zum "Rescue me!" zurück sein werdet!
    Bezüglich eurer letzten(?) Postkarte ans RK: Ja Gänserndorf steht noch samt der Pizzeria Milano. Kann nicht ganz glauben, dass ihr auf euerer Reise quer durch Europa keine bessere gefunden habt.(Musste ne Lupe auftreiben um diese Infos zu extrahieren...)
    Hoffe ihr bringt viele Bilder und unveröffentlichte Gechichten von eurer Odyssee mit.
    LG da_Lupo
    Gefundene Satz- und Rechtschreibfehler dürfen behalten werden.

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  2. Hast du dir vll schon mal überlegt, ob nicht vll genau das das eigentliche Ziel deiner Reise war? Deine persönliche Freiheit zu finden? Du musst dich dem Regelwerk der Gesellschaft nicht wieder anpassen, solange du für dich selbst lebst und nicht für die anderen.. Vll war es ja genau das, was du eigtl gesucht hast.. Immerhin hast du doch genau das in dem letzten halben Jahr gemacht oder? Einfach nur für dich selbst gelebt ohne an irgendetwas gebunden zu sein..

    Ich versteh wirklich nicht, was du hast..
    Ich finde, dass du genau jetzt deinem Leitsatz gerecht wirst: der Weg ist das Ziel und nicht Santiago.
    Und du hast es doch jetzt erreicht..

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